Ihr Modus ist das Futur II, ihr Gegenstand Zukunft als Katastrophe.¹
Aktuelle Entwürfe des Zukünftigen sind von hoffnungsfroher Zukunft denkbar weit entfernt. Ultra-Reichen ziehen um: in ausgebaute Bunker (Paul Virilio) aus Weltkriegszeiten, transformiert in Luxusapartments, mehrere Meter unter der Erdoberfläche. Spaceship Underground (Survival Condo). Aus welchem Grund spielt zunächst keine Rolle. Hauptsache vorbereitet sein, vorbereitet auf alles: Bunker2020-Firmen werben mit dem "every case szenario". Ein Wohnraum, umschlossen von 7,5 m dicken Beton Wänden, camoufliert sich kaum sichtbar in die oben liegende Landschaft, der Eingang nicht verratend, was dahinter liegt. Tief unter der Erde versuchen hochkomplexe Technologien die Illusion der überirdischen Gegenwart zu reproduzieren. Wie sieht ein Wohnraum aus, der für die Imagination ausgestattet und aus Spekulationen gebaut ist?
¹Eva Horn, Zunkunft als Katastrophe, 2014
x
Warum geht ein intensiv und öffentlich vorgetragenes Krisenbewusstsein mit einer bemerkenswerten politischen und individuellen Handlungslähmung eins her?
Eva Horn: Zukunft als Katastrophe, 2014 (...)
Der »apokalyptische Ton«, den Jacques Derrida den achtziger Jahren bescheinigte, kehrt gegenwärtig in den unterschiedlichsten Spielarten und Diskursformen wieder: im Kino (von Roland Emmerich bis Lars von Trier), in der Literatur (von Cormac McCarthy und Michel Houellebecq bis Kathrin Röggla und Thomas Glavinic), im populären Sachbuch, in Computerspielen, in der soziologischen und philosophischen Zeitdiagnose (von Ulrich Beck bis Harald Welzer, Peter Sloterdijk und Bruno Latour), in den Naturwissenschaften (von der Geologie bis zur Klimawissenschaft), und neuerdings sogar in der notorisch fortschritts- und wachstumseuphorischen Ökonomie. – Kurzum: Imaginierte, prognostizierte und antizipierte Störfälle, Katastrophen und
Untergangsszenarien bebildern ein Zukunftsgefühl
Zukunftsfiktionen dienen dazu, der Ungewissheit einer offenen, plan- und gestaltbaren Zukunft in der Moderne »einen Ort im gesellschaftlichen Imaginationshaushalt zu geben, sie gleichsam in die Gegenwart einzupreisen und umgekehrt die jeweilige Gegenwart auf das, was kommen wird, hin zu öffnen«.
Zukunftsfiktionen machen nicht nur die Zukunft, sondern vor allem auch die Gegenwart, die Wirklichkeit, in der wir leben.
Dabei haben die Entwürfe einer Zukunft als Katastrophe einen besonderen epistemischen Status, der sie von anderen Formen des Zukunftsentwurfs wie Utopien, Versprechen, Plänen oder Hoffnungen scharf unterscheidet: Zukunft als Katastrophe schreit nach ihrer Verhinderung, nach einem präventiven Eingreifen. Können utopische Entwürfe des Künftigen angestrebt oder abgewehrt, Versprechungen und Pläne aufgeschoben oder umgesetzt, die Erfüllung von Hoffnungen abgewartet werden, so reklamieren katastrophische Zukünfte für sich eine Dringlichkeit, die eben nicht einfach abgewartet werden kann. Sie zwingen dazu, sie entweder zu glauben – und entsprechend präventiv zu handeln – oder ihre prädiktive Kraft anzuzweifeln.
Genau darin liegt die epistemische Besonderheit von Zukunftsvisionen der Katastrophe: Sie treten mit dem Anspruch auf, etwas freizulegen, etwas zu entdecken, das unterhalb der Oberfläche der Gegenwart noch verborgen ist. Darum eignet ihnen stets eine im Wortsinn apokalyptische – also enthüllende – Geste: Sie zeigen ein »Reales« des Menschen, seines Wesens, seiner Zivilisation, seines Sozialen. So leuchten Desaster Spielarten des Sozialen unter verschärften Bedingungen aus, von der gegenseitigen Hilfe oder Selbstaufopferung bis zum rücksichtslosen Überlebenswillen. Die Katastrophe ›testet‹ den Menschen, seine Stärke und Belastbarkeit, die Haltbarkeit seiner Bindungen und die Krisenfestigkeit seiner sozialen Institutionen. (...)
warum wir um kurz vor zwölf so gerne Katastrophenfilme schauen und was uns die Regierung rät
In jahrelanger Recherche- und Dokumentationsarbeit hat Paul Virilio die Bunkeranlagen des von den Nazis erbauten "Atlantikwalls" an der französischen Atlantikküste untersucht und präsentiert die Ergebnisse – Fotografien, Kriegsweisungen, Karten – im Rahmen von philosophischen Essays.
→ off-grid → overground → Natur → Camouflage
"Wenn man die zur Hälfte vergrabene Masse eines Bunkers mit seinen verstopften Belüftungsanlagen und dem schmalen Schlitz des Beobachtungspostens betrachtet, dann schaut man in einen Spiegel und gewahrt das Spiegelbild unserer eigenen Todesmacht, unserer eigenen Destruktivität, das Spiegelbild der Kriegsindustrie. Der Bunker ist anwesender und abwesender Mythos zugleich geworden: anwesend als für eine transparente und offene zivile Architektur abstoßendes Objekt, abwesend in dem Maße, in dem sich die Festung von heute woanders befindet, unter unseren Füßen, von nun an unsichtbar."
→ Paul Virilio:
Bunker Archäologie, 1967
Ironie → :-(-: → off-grid → overground → underground → schnitt → Natur → Technik → Illusion → atmosphärenwechsel → Camouflage
Ihr Modus ist das Futur II, ihr Gegenstand Zukunft als Katastrophe.¹
Did they tell you we are not going back to normal?! Don't find yourself unprepared for the total collapse!
Order today your luxurious first complete off-grid shelter! Buy a shelter for your mother today!!!²
Aktuelle Entwürfe des Zukünftigen sind von hoffnungsfroher Zukunft denkbar weit entfernt. Ultra-Reichen ziehen um: in ausgebaute Bunker (Paul Virilio) aus Weltkriegszeiten, transformiert in Luxusapartments, mehrere Meter unter der Erdoberfläche. Spaceship Underground (Survival Condo). Aus welchem Grund spielt zunächst keine Rolle. Hauptsache vorbereitet sein, vorbereitet auf alles: Bunker2020-Firmen werben mit dem "every case szenario". Ein Wohnraum, umschlossen von 7,5 m dicken Beton Wänden, camoufliert sich kaum sichtbar in die oben liegende Landschaft, der Eingang nicht verratend, was dahinter liegt. Tief unter der Erde versuchen hochkomplexe Technologien die Illusion der überirdischen Gegenwart zu reproduzieren. Wie sieht ein Wohnraum aus, der für die Imagination ausgestattet und aus Spekulationen gebaut ist?
¹Eva Horn, Zunkunft als Katastrophe, 2014
²(Ab)Normal, 2020
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Warum geht ein intensiv und öffentlich vorgetragenes Krisenbewusstsein mit einer bemerkenswerten politischen und individuellen Handlungslähmung eins her?
Eva Horn: Zukunft als Katastrophe, 2014 (...)
Der »apokalyptische Ton«, den Jacques Derrida den achtziger Jahren bescheinigte, kehrt gegenwärtig in den unterschiedlichsten Spielarten und Diskursformen wieder: im Kino (von Roland Emmerich bis Lars von Trier), in der Literatur (von Cormac McCarthy und Michel Houellebecq bis Kathrin Röggla und Thomas Glavinic), im populären Sachbuch, in Computerspielen, in der soziologischen und philosophischen Zeitdiagnose (von Ulrich Beck bis Harald Welzer, Peter Sloterdijk und Bruno Latour), in den Naturwissenschaften (von der Geologie bis zur Klimawissenschaft), und neuerdings sogar in der notorisch fortschritts- und wachstumseuphorischen Ökonomie. – Kurzum: Imaginierte, prognostizierte und antizipierte Störfälle, Katastrophen und
Untergangsszenarien bebildern ein Zukunftsgefühl
Zukunftsfiktionen dienen dazu, der Ungewissheit einer offenen, plan- und gestaltbaren Zukunft in der Moderne »einen Ort im gesellschaftlichen Imaginationshaushalt zu geben, sie gleichsam in die Gegenwart einzupreisen und umgekehrt die jeweilige Gegenwart auf das, was kommen wird, hin zu öffnen«.
Zukunftsfiktionen machen nicht nur die Zukunft, sondern vor allem auch die Gegenwart, die Wirklichkeit, in der wir leben.
Dabei haben die Entwürfe einer Zukunft als Katastrophe einen besonderen epistemischen Status, der sie von anderen Formen des Zukunftsentwurfs wie Utopien, Versprechen, Plänen oder Hoffnungen scharf unterscheidet: Zukunft als Katastrophe schreit nach ihrer Verhinderung, nach einem präventiven Eingreifen. Können utopische Entwürfe des Künftigen angestrebt oder abgewehrt, Versprechungen und Pläne aufgeschoben oder umgesetzt, die Erfüllung von Hoffnungen abgewartet werden, so reklamieren katastrophische Zukünfte für sich eine Dringlichkeit, die eben nicht einfach abgewartet werden kann. Sie zwingen dazu, sie entweder zu glauben – und entsprechend präventiv zu handeln – oder ihre prädiktive Kraft anzuzweifeln.
Genau darin liegt die epistemische Besonderheit von Zukunftsvisionen der Katastrophe: Sie treten mit dem Anspruch auf, etwas freizulegen, etwas zu entdecken, das unterhalb der Oberfläche der Gegenwart noch verborgen ist. Darum eignet ihnen stets eine im Wortsinn apokalyptische – also enthüllende – Geste: Sie zeigen ein »Reales« des Menschen, seines Wesens, seiner Zivilisation, seines Sozialen. So leuchten Desaster Spielarten des Sozialen unter verschärften Bedingungen aus, von der gegenseitigen Hilfe oder Selbstaufopferung bis zum rücksichtslosen Überlebenswillen. Die Katastrophe ›testet‹ den Menschen, seine Stärke und Belastbarkeit, die Haltbarkeit seiner Bindungen und die Krisenfestigkeit seiner sozialen Institutionen. (...)
warum wir um kurz vor zwölf so gerne Katastrophenfilme schauen und was uns die Regierung rät
In jahrelanger Recherche- und Dokumentationsarbeit hat Paul Virilio die Bunkeranlagen des von den Nazis erbauten "Atlantikwalls" an der französischen Atlantikküste untersucht und präsentiert die Ergebnisse – Fotografien, Kriegsweisungen, Karten – im Rahmen von philosophischen Essays.
→ off-grid → overground → Natur → Camouflage
"Wenn man die zur Hälfte vergrabene Masse eines Bunkers mit seinen verstopften Belüftungsanlagen und dem schmalen Schlitz des Beobachtungspostens betrachtet, dann schaut man in einen Spiegel und gewahrt das Spiegelbild unserer eigenen Todesmacht, unserer eigenen Destruktivität, das Spiegelbild der Kriegsindustrie. Der Bunker ist anwesender und abwesender Mythos zugleich geworden: anwesend als für eine transparente und offene zivile Architektur abstoßendes Objekt, abwesend in dem Maße, in dem sich die Festung von heute woanders befindet, unter unseren Füßen, von nun an unsichtbar."
→ Paul Virilio:
Bunker Archäologie, 1967
Ironie → :-(-: → off-grid → overground → underground → schnitt → Natur → Technik → Illusion → atmosphärenwechsel → Camouflage